1700 Wörter über die Juden in Dresden
Eine Ausstellung in der Heilandskirche (noch bis 1. Oktober)
vom
Ausstellungseröffnung
- Mittwoch, 21. Juni
- 19:30 Uhr Heilandskirche Cotta
Die Ausstellung mit dem Titel „1700 Wörter über die Juden in Dresden“ macht in der Heilandskirche Station. Bei der Beschäftigung mit dem Material wird schnell klar: Gemeint ist ein symbolisches Wort für jedes Jahr der gemeinsamen Geschichte von Juden und Christen. Vor zwei Jahren wurde daran erinnert, dass im Jahr 321 der römische Kaiser Konstantin den Juden in Köln das Recht einräumte, öffentliche Ämter anzunehmen. Da war an eine Stadt Dresden natürlich noch nicht zu denken.
Die Kuratoren der Ausstellung sind Mitglieder des Vereins „Kultur, Ingenieurwesen und Wissenschaft“, gegründet von Dresdner Bürgern, die zwischen 1991 und 1994 als sogenannte Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kamen. Der Verein hat seinen Sitz in der Bautzner Straße 20. Kennen Sie dieses Haus? Die meisten von uns werden es nicht kennen. Und damit fängt es an: Während das „Alte Dresden“ beinahe in jedem Haushalt steht, ist uns die Geschichte der jüdischen Mitbürger ziemlich fremd.
Das Haus Bautzner Straße 20, das einst dem jüdischen Chemiefabrikanten Schrimmer gehörte, war eines der etwa 40 sogenannten Judenhäuser in Dresden, in denen Juden ab 1939 von den Nazis gewissermaßen zwangsinterniert wurden, bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz oder Theresienstadt. Auch der Familie Schrimmer selbst stand dieses Schicksal bevor.
Der Verein war es, der eine Informationstafel gestaltete zur Erinnerung an die Tragödie der ehemaligen Bewohner des Hauses. Das war auch Anlass, sich mit der Geschichte der Juden in Dresden zu beschäftigen und diese Wanderausstellung aufzubauen.
Die ersten historischen Erwähnungen klingen hoffnungsvoll: Während jüdische Kaufleute längst schon dort unterwegs sind, wo später einmal Dresden entstehen wird, tauchen 1206 zum ersten Mal verlässliche Berichte auf, als Heinrich III, Markgraf von Meißen, eine Judenordnung erließ, die den Juden gleiche Rechte wie den Christen zusicherte. Da gab es schon eine Mikwe, eine Synagoge und einen Friedhof. Als aber 150 Jahre später Dresden von der Pest heimgesucht wurde, war die Ursache schnell gefunden: die Juden. Sie wurden Opfer von Pogromen und Vertreibung.
Später stellt Friedrich der Streitbare den Juden einen Schutzbrief aus. Nach Ablauf der Gültigkeit begannen die Vertreibungen erneut. So geht es über die Jahrhunderte, Luther spielte eine unrühmliche Rolle, August der Starke - wir sind nicht verwundert - eine pragmatische. Schließlich finanzierten zwei Juden seine teure Wahl zum polnischen König. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Emanzipationsbestrebungen der jüdischen Gemeinde auch wegen der Zuwanderung aus dem polnischen Galizien immer stärker. Das mündete in den Bau der größten Synagoge Deutschlands und in eine einigermaßen gesicherte Gleichbehandlung von Juden und Christen in Dresden. Andererseits wurde hier auch der Internationale Antijüdische Kongress abgehalten, Nährboden für die Shoa zwei Generationen später, die Viktor Klemperer in seinen berühmten Tagebüchern so eindrücklich protokollierte.
Am Ende der Ausstellung finden sich interessante Informationen über die Verbreitung des Jiddischen in Sachsen und eine Liste der bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten der letzten 150 Jahre in Dresden. Von Georg Arnhold über Max Zimmering bis Nora Goldenbogen.
Nach der letzten Tafel der Ausstellung bleibt nichts anderes, als zu sagen: 1700 Jahre Juden in Deutschland, das sind 1700 Jahre Auf und Ab von Duldung und Vertreibung, wirtschaftlicher Anerkennung und Pogromen.
Hoffnungsvoll stimmt, dass es heute möglich ist, eine solche Ausstellung in einer christlichen Kirche zu zeigen.
Die Ausstellung wird im Rahmen des Cotta-Treffs mit einer kleinen Vernissage eröffnet und bis zur Winterschließung der Kirche am 1. Oktober zu sehen sein. Die Kirchgemeindevertretung hofft, die Kirche damit in Richtung Stadtteil öffnen zu können.
Hans-Haiko Seifer