Die Kraft der Versöhnung

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Liebe Gemeindeglieder und Freunde der Kirchgemeinde, man braucht kein Fernglas mehr, um die Orte zu entdecken, an denen Leute einander das Leben schwer machen, ja nehmen. Und je niedriger die Schwelle zur Gewalt wird, desto größer die Zahl der Zäune und Mauern, die Menschen zwischen sich errichten. Wir ringen um eine gute Willkommenskultur auch und gerade hier in unserem Stadtteil. Doch an vielen anderen Orten in unserer Welt wird eine „Kultur“ der Vertreibung, der Vernichtung gelebt und praktiziert. Heute, da ich dies schreibe, frage ich mich: Wer möchte im Herbst noch nach Tunesien fliegen – wo Urlauber getötet werden? Oder ins Baltikum reisen – wo die Angst vor dem russischen Nachbarn zunimmt? Wen lockt es noch in das idyllische Charleston oder das sandige Chibok – wo Gottesdienstbesucher hingerichtet wurden?
Es fällt leicht, sich dem Eindruck hinzugeben, dass wir bald nirgendwo mehr sicher sind. Die Frage ist: Haben wir damit etwas zu tun?

Ich vernehme schon heute Ihr NEIN – und meines auch! Und doch! Ich habe dieser Tage ein Buch in die Hände „bekommen“ mit dem Titel „Im Frühling sterben“. Es erzählt die Geschichte eines Jungen, der unschuldig schuldig geworden ist – eine spannende und ebenso fiktive wie wirklichkeitsnahe Geschichte. Es könnte die Geschichte eines jeden, einer jeden von uns sein. Wir alle können unschuldig schuldig werden. Deswegen sind wir gerufen, immer wieder neu zu vergeben und um Vergebung zu bitten, Versöhnung zu wagen.

Für viele Christen ist der „Tag der Tage“ im Jahr häufig Weihnachten, das – verkürzt, und trotzdem richtig – Fest der Liebe. Für das jüdische Volk ist der „Tag der Tage“ im Jahr der Schabbat Schabbatom – der JOM KIPPUR, der Große Versöhnungstag oder auch das Fest der Versöhnung. Es wird dieses Jahr am 23. September gefeiert. Nicht umsonst nimmt es den höchsten Rang unter den Festen ein. Es zeigt, was in dieser Welt grundlegend zählt. Es sagt uns an, wie wichtig Versöhnung ist – zwischen Gott und uns und auch untereinander – damit Mauern brechen, Zäune fallen und die Gewalt der Liebe weicht. Feiern wir mit – denken und handeln wir versöhnlich – geben wir einander und damit der Welt eine Chance. Pflanzen wir die (Sonnen-)Blumen der Versöhnung und lassen wir sie wachsen.

Diesen Frieden wünsche ich Ihnen – den natürlich auch, Mut auch, immer wieder neu anzufangen (Versöhnung) zu leben.

(Für eine gewisse Zeit auch) – Ihr Pfarrer Christoph Arnold