Entschleunigung im Rhythmus von Gebet und Arbeit
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Liebe Gemeindeglieder,
der Kreuzgang eines Klosters. Schön, ruhig, geradezu idyllisch. Eine Ahnung liegt darin: Hier kann ich zur Ruhe kommen. Und tatsächlich suchen in unserer säkularen Zeit immer mehr Menschen die Zurückgezogenheit und Stille eines Klosters, um abseits von Betriebsamkeit und Hamsterrad Kopf und Herz frei zu bekommen und neu den Sinn ihres Lebens zu entdecken.
Wer schon einmal in einem Kloster war, weiß: Klosterleben ist nicht nur Entspannung. Da gibt es viel zu tun. Auch der Kreuzgang auf der Titelseite hat schon bessere Zeiten erlebt: Da sind Sträucher zu beschneiden, Laub zu kehren und die Steine vom Moos zu befreien.
Klöster sind seit dem frühen Mittelalter immer auch Wirtschaftsbetriebe gewesen, oft mit hoher Bedeutung für ihr Umfeld. Durch meine katholische ältere Schwester hatte ich von klein auf mit Nonnen und Mönchen zu tun – fleißigen und sehr bodenständigen Menschen. Und trotzdem: Gestresst wirkten sie auf mich nie. Im Gegenteil, ich habe Angehörige solcher Gemeinschaften (es gibt auch viele evangelische Kommunitäten) meist als besonders schöne, in sich ruhende Menschen empfunden.
Ora et labora – bete und arbeite. Dieses Motto wird seit dem Spätmittelalter als Kurzfassung der Regel des Benediktinerordens überliefert. Unser Kirchenvorstandsmitglied Thomas Fröhner hat mich letztens darauf aufmerksam gemacht, dass es vollständig heißt: „ora et labora et lege“ – bete und arbeite und lies. In dieser Abwechslung von Gebet, Arbeit und Lesung in der Heiligen Schrift finden Menschen – mitten im Alltag – zu ihrer Mitte, zu Gott.
Diese geistliche Form der Entschleunigung wollen wir in der diesjährigen Karwoche einmal mit Ihnen und Euch ausprobieren. Im Rahmen von „Ora-et-labora-Tagen“ werden wir gemeinsam beten, arbeiten und auf Gottes Wort hören – hier mitten in Löbtau. Wer Lust hat, das auszuprobieren, ist dazu herzlich eingeladen! Im Wechsel von Aktivität und Besinnung werden wir den Leidensweg Jesu mitgehen und uns innerlich auf das Fest seiner Auferstehung vorbereiten.
Und wer weiß: Vielleicht erwächst daraus sogar die Lust, solche Rhythmen auch in den Alltag zu übernehmen? Wie könnten wir solche klösterlichen Elemente auch in Frieden und Hoffnung leben – vielleicht im Rahmen einer Art „anders wachsen“-Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde? Als Gruppe von Menschen, die sich neben ihrer Arbeit regelmäßig trifft, gemeinsam isst, betet und für eine andere Welt aktiv ist – und bei all dem Christus unter sich gegenwärtig erfährt?
In jedem Fall wünsche ich Ihnen und Euch eine segensreiche Passions- und Osterzeit, durch die wir gemeinsam unser Gleichgewicht zwischen Besinnung und Tat finden – und mitten darin Gott.
Ihr/Euer Pfarrer Walter Lechner