Leben aus der Hoffnung

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Vor etlichen Jahren, als ich noch im Studium war, starb mein damaliger Freund. Sein Tod warf mich über Monate hinweg aus der Bahn. Ich zweifelte an so ziemlich allem, aber erstaunlicherweise nicht an meinem Glauben. Diese Erfahrung hat mich stark geprägt und bestimmt mein Leben bis heute.

Ich lebe aus der Hoffnung und glaube, dass das der große Mehrwert ist, den wir Christen anderen Menschen weitergeben können. Die Geschichte von Ostern wird von vielen Menschen heutzutage belächelt. Aber das, was für viele wie ein naives Märchen klingt, ist der eigentliche Schatz unseres Glaubens. Wenn Menschen am Grab eines geliebten Menschen stehen, die Welt wie verstaubt und zugedeckt erscheint, ist die Erinnerung nur ein schwacher Trost. Denn wir alle wissen, dass Erinnerungen mit der Zeit verblassen. Die Fragen, die Verzweiflung und der Schmerz aber bleiben manchmal für Jahre. Ostern hat zweierlei mit sich gebracht: Zum einen die Erfahrung eines Gottes, der bis in die tiefsten Tiefen die Leiden erträgt. Dadurch kommt uns dieser Gott nahe, wie kein anderer. Gott ist kein Superheld, der mit dem Finger schnipst und die Welt verwandelt. Gott ist ein Gott, der als Mensch mit uns Menschen leidet. Aber zum Glück bleibt er nicht am Tiefpunkt stehen, sondern reißt die Welt für alle Zeiten auf, so dass der Himmel sichtbar wird. Die Auferstehung Jesu lässt niemanden mehr nur mit seiner Erinnerung alleine. Ostern gibt Hoffnung auf ein Danach, auf eine Antwort, die jetzt noch fehlt. Ostern schafft ein kleines Licht an jedem Grab, an dem ein Mensch trauernd steht. Bei jeder Beerdigung spreche ich den Angehörigen die Sätze der Engel zu den Frauen am Grab Jesu zu: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk. 24,5) Weil Jesus lebt, sollen auch wir leben. Dieser Segen kann unsere Hoffnung sein, die uns durch das Leben trägt. Hoffnung ist nicht greifbar, aber sie kann unser Leben und unser Handeln prägen. Lothar Zenetti hat einmal geschrieben: „Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.“

Der Glaube an die Ewigkeit kann das Leben verändern. Ich erlebe es immer wieder, wenn wir Ende November den Toten- oder auch Ewigkeitssonntag feiern. In einer Andacht auf dem Bergfriedhof gedenken wir aller Verstorbenen, der kirchlich, wie der weltlich Bestatteten. Gerade die, deren Angehörige weltlich bestattet wurden, sind häufig umso dankbarer für die Hoffnung. Denn in der Hoffnung wird unsere irdische Welt gedanklich aufgebrochen und geweitet. Echte Hoffnung zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht von Menschen erfüllt werden kann. Wenn mein „ich hoffe“ auch negativ formuliert werden könnte als „ich habe Angst, dass“ ist es keine echte Hoffnung, sondern eben eine positiv gedrehte Sorge. Echte Hoffnung aber bedeutet, etwas für möglich zu halten, was weit über unsere menschlichen Möglichkeiten hinausgeht. Eine Ahnung von dieser Hoffnung bekommen wir mit der ersten Kerze im Advent. Mit dem Geheimnis und Wunder von Weihnachten werden wir in unserem innersten Wesen von Gott berührt. An Ostern schließlich wird dieses Gefühl zu einer Zuversicht oder eben auch Hoffnung, die uns das ganze Jahr begleitet.

Der christlichen Hoffnung wird oft unterstellt, dass sie wie ein Beruhigungsmittel eingesetzt wird, um Angst und Kummer zu betäuben. In der Tat kann sie auf diese Weise missbraucht werden und wir kennen genug Beispiele dafür. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Hoffnung, recht verstanden, den entgegengesetzten Impuls freisetzt. Auch mit der Bibel und der Hoffnung weiß schließlich niemand von uns, wie die Wirklichkeit bei Gott aussieht. Doch dass unser Leben hier auf der Erde mit all seiner Schönheit und all seinem Schrecken im Unendlichen geborgen ist – darin kommen die biblischen Bilder überein. Die Hoffnung bietet zwar keinen Weg an, Not und Ausweglosigkeit, Leiden und Sterben theoretisch zu verstehen, aber sie kann einen Weg öffnen, diese zu bestehen. Die Hoffnung wird gemeinsam gelebt und erfahren und wirkt wie ein Anti-Resignativum, das uns vor Bequemlichkeit oder falscher Gelassenheit bewahrt.

Margarete Aichinger
Pfarrerin