Welchen Weg würde die Liebe gehen?

vom

(Foto: Johnny B.)

Im Haus meiner Kindheit hing, solange ich denken kann, ein Bild. Darauf zu sehen ist ein kleiner Junge, unterwegs zwischen Wiesen. Vor ihm gabelt sich der Weg. Nach links geht es zu ein paar Häusern, nach Hause. Nach rechts ins Unbekannte. Es ist offensichtlich: Das Kind muss sich entscheiden.

Jesus spricht einmal von zwei Wegen, zwischen denen Menschen wählen müssen: Dem breiten Weg, auf dem die große Mehrheit unterwegs ist, der aber ins Verderben führt; und dem schmalen, schwierigen, kaum frequentierten, der ins Leben mündet (Matthäus 7,13f).

Ich persönlich mag Herausforderungen. Einfach kann jeder. Im Ungewissen liegt das Abenteuer. Die Wege, die noch nicht beschritten sind, sind die, auf denen es Neues und Leben zu entdecken gibt.
Einfache Wege können heißen: Immer weiter so. Oder: Tu, was dir Spaß macht. Oder: Immer höher, schneller, weiter. „Dieser Weg heißt Logik. Was sagt dir dein Verstand? (…) Dieser Weg heißt Freiheit. Tun und lassen, was man will. (…) Dieser Weg heißt Jetzt. Morgen ist nicht mein. Dieser Weg heißt Ehre. Man hat 'nen guten Ruf.“ So singt die Sängerin Sefora Nelson.

Jesus bietet uns einen besseren – und gerade deshalb nicht unbedingt leichteren – Weg an. Den Weg der Vergebung und der Gnade. Den Weg mit Gott zu den Menschen. Den Weg des Friedens, der Gerechtigkeit und der Übereinstimmung mit seiner Schöpfung. Sefora Nelson fragt: „Welchen Weg würde die Liebe gehen? Wo würde man am Ende stehn?“

Das Bild in meinem Elternhaus hat mich immer fasziniert – und zugleich ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Ich weiß nicht, warum, aber: Ich war stets überzeugt, der Junge würde nicht auf Nummer Sicher, sondern ins Unbekannte gehen.
Jeder braucht Heimat, Geborgenheit. Durch Christus sind wir zu Hause bei Gott – egal auf welchem Weg wir unterwegs sind. Diese Beheimatung üben wir ein: In der Gemeinde, mit Gott und unseren Geschwistern, Sonntag für Sonntag, in Gruppen und Kreisen.

Und gleichzeitig sind wir Gemeinschaft auf dem Weg. Die Gewissheit, dass unsere Heimat sicher ist in Zeit und Ewigkeit, befähigt uns, aufzubrechen, etwas zu riskieren, hinaus zu gehen zu den Menschen, auf die Herausforderungen zu, vor die Gott uns stellt.

Weil wir nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen, sondern den Weg Jesu. Weil wir ihm nachfolgen. Aus Liebe. Zu Gott. Zu den Menschen. Zu dieser Welt. Welchen Weg würde die Liebe gehen?
Ich freue mich schon auf gemeinsame Wege mit Ihnen und Euch!

Herzlichst, Ihr/Euer

Pfarrer Walter Lechner