Wie aus der Not eine Kirche wurde
75 Jahre Bartningsche Notkirche – Friedenskirche in Löbtau
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Von 1945 bis 1949 stand sie als Ruine, die Friedenskirche in Dresden Löbtau. Das Werk des Semperschülers Prof. Christian Friedrich Arnold war zerstört. Das Schicksal dieser 1891 erbauten Kirche teilten mit ihr noch viele andere Kirchen in Dresden und in ganz Deutschland. Die schreckliche Zerstörung ihrer Lebensräume brachte den Menschen große Not und Verzweiflung.
In dieser Situation erhielt die Friedenskirchgemeinde vom Hilfswerk der Ev. Kirche in Deutschland eine Information von großer Bedeutung. Dresden Löbtau, wenig kriegszerstört mit vielen aus unbewohnbaren Gebieten gefl üchteten Menschen, sollte eine der ersten „Bartningschen Notkirchen“ erhalten. Dabei ging es dem Architekten Otto Bartning nicht um eine Notlösung im Sinne eines Provisoriums, sondern es sollte ein architektonisch und liturgisch würdiger Kirchenbau sein, schnell ausführbar unter Verwendung vorhandener Materialien und mit dem Einsatz der aus der Not erwachsenden Kraft der Gemeindeglieder.
Durch vielfältige Unterstützung erlebte die Friedenskirchgemeinde eine große Aufbruchstimmung. Viele Menschen waren unermüdlich im Einsatz. Auch das Baumaterial und die vom Evangelischen Hilfswerk bereitgestellten Lebensmittel für die Helfer mussten rund um die Uhr bewacht werden. Bis Juni 1949 waren die Abbruch-, Räumungs- und Erdarbeiten im Gange. Das Holz für das Dach wurde im Schwarzwald geschlagen. In der Nähe von Frankfurt wurden die Teile der Dachkonstruktion zusammengezimmert. Das Kirchenserienbauprojekt wurde durch den Lutherischen Weltbund unterstützt. Das Geld kam aus Spenden, auch aus der Sächsischen Landeskirche.
Amerikanische Christen spendeten einen erheblichen Teil, die Gemeinde in Löbtau sammelte Geld und vor allem leisteten die Menschen sehr viele freiwillige Arbeitsstunden. Eine Erzgebirgsgemeinde spendete das Blei zum Verglasen der Fenster. Im Juli 1949 trafen die ersten Teile der Holzkonstruktion ein, Mitte August begann das Aufstellen. Den steinernen Außenbau errichteten die Gemeindeglieder aus den Trümmersteinen ihrer zerstörten Kirche, ganz im Sinne von Otto Bartning. Bereits am 3. September wurden das Hebefest und ein Gottesdienst gefeiert. Am 18. Dezember 1949, dem 4. Advent, konnte die Friedenskirche in Dresden Löbtau als eine der 43 in Deutschland gebauten Bartningschen Notkirchen geweiht werden. 41 von ihnen gibt es bis heute. Zwei Typen wurden entwickelt, die das holzgezimmerte Dach, einem bergenden Zelt gleich, gemeinsam haben. Die Kirchen wurden an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Weil nach Löbtau keine Trümmerbahn fuhr, wurde der Schutt aufgeschüttet und eingeebnet. Das Kircheninnere ist deshalb über eine Treppe erreichbar.
Die Orgel der 1891 geweihten Friedenskirche wurde von der Orgelbaufi rma Gebr. Jehmlich aus Dresden im gleichen Jahr gebaut. Sie hatte 36 Register. Ein größerer Umbau erfolgte 1941. Zur 50-Jahrfeier von Kirche und Orgel erklang das modernisierte Instrument zum Festkonzert erneut. Die Orgel war ein Geschenk der politischen Gemeinden Löbtau und Naußlitz an die Kirchgemeinde. 1945 wurde diese Orgel mit der Kirche zerstört.
Die Bartningsche Notkirche hatte zunächst keine Orgel. Die Firma Gebr. Jehmlich stellte der Kirchgemeinde ein Leihinstrument für fünf Jahre zur Verfügung. Diese Orgel stand vorher als Übungsorgel in einem Lehrerbildungsseminar. Es ist ein Spätwerk von Richard Kreutzbach. Die Firma Jehmlich baute die Orgel für die Friedenskirche um. Im März 1955 übernahm die Kirchgemeinde das Instrument.
Die Stahlglocken stammen aus der alten Friedenskirche. Die ursprünglichen Bronzeglocken wurden im 1. Weltkrieg abgeholt, beim Zertrümmern blieb ein kleines Stück mit dem Schriftzug „Friede“ erhalten. Das war für die Gemeinde der Ansporn, Geld für neue Glocken zu sammeln. Bereits 1920 konnten die drei Glocken angeschaff t werden. Sie läuten noch heute. 2005 wurde ein hölzerner Glockenstuhl eingebaut und die Risse des Turmes saniert, die die Aufhängung der Glocken auf Stahlträgern im Mauerwerk verursacht hatten.
Eine Einschätzung der landeskirchlichen Baupflege im Jahr 2020 ergab, dass das Dach noch mehrere Jahrzehnte hält, der Turm und die sonstige Statik für die nächsten 30 bis 40 Jahre gesichert sind und bei der Holzkonstruktion langfristig keine grundlegenden Arbeiten zu erwarten sind. Die Orgel muss jedoch gewartet werden, und der schlechte Zustand der Heizung und die undichte Wasserleitung erfordern dringende Maßnahmen. Die Kirchgemeindevertretung Löbtau beschäftigt seit längerem schon die Frage: Ist die Kirche als Gottesdienststätte zukunftsfähig, wenn der Nutzerkreis und die Nutzungszeit immer weiter schrumpfen und die Betriebs- und Instandhaltungskosten steigen? Welche Nutzungsmöglichkeiten, vielleicht auch über die Gemeinde hinaus, sind sinnvoll und machbar? Und damit im Zusammenhang: Wem wollen wir Raum geben? Dazu reichen allein die Überlegungen in der Gemeinde nicht aus. Vielmehr bedarf es eines größeren Kreises von Engagierten, sowohl aus der Kirchgemeinde als auch der kommunalen Gemeinde, denen die Zukunft der Friedenskirche wichtig ist. Hier gilt es, in Zukunft gezielt weiterzuarbeiten. Denn das Gebäude an sich behält seine große Bedeutung: Die Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau (OBAK) arbeitet an der Anerkennung der 41 Notkirchen als Welterbe im Jahr 2029. Unsere Friedenskirche wird dabei sein.
Ursula Richter, Johannes Wagner und Rosemarie Scobel